Die Wende in den Vorschriften bei der INTERFLUG

 

In den Änderungen der Vorschriften wurde die Wende rechtzeitig eingeleitet.

Es musste nicht nur „Entpolitisiert“, sondern auch dem neuen Status einer Airline in einem vereinten Deutschland Rechnung getragen werden.

 

Rot      = Streichungen und ersetzte oder im Text gestrichene Wörter/ Textpassagen

 

Blau     = Neuer Text

 

Folgende Streichungen oder Änderungen erfolgten im Flugbetriebshandbuch (FBH) der INTERFLUG:

 

2.                  Betriebsverfahren/Flugdurchführung

2.2.2.            Sicherheitsmaßnahmen - Passagierbeförderung

2.2.2.1.            Beförderung von Personen auf Flugauftrag

 

Dieser Abschnitt wurde fast komplett gestrichen und der dienstlich berechtigte Personenkreis wurde rigoros eingeschränkt.

 

2.3.2.            Luftfahrtpersonal – Zusammensetzung der Besatzung

2.3.3.2             Pflichten des fliegenden Personals

 

„...-über Vorkommnisse und Feststellungen, die die allgemeine Sicherheit von Besatzungen und Flugzeugen betreffen sowie Auseinandersetzungen mit anderen Personen, insbesondere mit Bürgern anderer Staaten, Bericht zu erstatten.“

 

Unter Anmerkungen wurde ersetzt:

 

„Im Ausland ist die Gegenwart von Mitarbeitern der DDR-Vertretung bzw. eines Vertreters der Staatlichen Luftfahrtinspektion bzw. der INTERFLUG anzustreben.“ Ersetzt durch: „.....diplomatischen Vertretung bzw. eines Vertreters des Luftfahrt-Bundesamtes.....“

 

2.3.5.            Luftfahrtpersonal – Auftreten in der Öffentlichkeit

2.3.5.1             Allgemeines

 

„Die Tätigkeit im Betriebsteil Flugbetrieb verlangt von jedem Mitarbeiter politisch verantwortungsvolles Handeln und einen aktiven Beitrag zur Erhöhung des Ansehens der DDR im Ausland. ..... Insbesondere im Ausland ist darauf zu achten, daß das Auftreten der INTERFLUG-Besatzungen gegenüber anderem Personal oder Passagieren weder überheblich oder unangemessen vertraulich wirkt.“

 

2.3.5.2.            Verhaltensregeln

 

„Über die Annahme oder Ablehnung von Einladungen der Besatzung durch betriebsfremde Personen entscheidet der Kommandant unter Beachtung des Ansehens der INTERFLUG (siehe Meldeordnung).

Alle privaten Kontakte ohne dienstlichen Auftrag mit Staatsbürgern des Gastlandes, Bürgern dritter Staaten und DDR-Bürgern, die nicht dienstlich im Ausland weilen, sind verboten.

Bei längeren Aufenthalten außerhalb des Dienstortes Berlin-Schönefeld hat der Kommandant dafür Sorge zu tragen, dass die dem Kollektiv der Besatzung zur Verfügung stehende Freizeit sinnvoll für Bildung und Erholung genutzt wird.“

 

2.3.5.3.            Uniformordnung

 

Die Festlegung der Trageweise galt nicht mehr für die DDR, sondern für Deutschland.

 

„Die Plakette zur Funktionsbezeichnung und die Interimspange staatlicher Auszeichnungen sind  ist an der linken Brustseite der Uniformjacke unterhalb des Betriebszeichens zu tragen. Das Bestenabzeichen der INTERFLUG ist in Höhe des Betriebszeichens auf der rechten Seite der Uniformjacke zu befestigen.“

 

2.6.3        Betrieb der Flugzeuge – Normale Verfahren

 

Unter Punkt 5.5 wurde folgender Abschnitt gelöscht:

 

„Der Kommandant hat nach Erfüllung jedes Flugauftrages mit der Cockpitbesatzung und der 1. Stewardeß bzw. dem 1. Steward eine Auswertung durchzuführen. Nach erfolgter Auswertung mit der Besatzung ist der Kommandant verpflichtet, über die Erfüllung des Flugauftrages und die durchgeführte Flugauswertung im Flugberichtsbuch der Staffel  Bericht zu erstatten. Nach eigenen Ermessen oder auf Anforderung können mündliche oder schriftliche Berichte zum Flug zusätzlich erstattet werden.“

 

6.      Kommerzielle Anweisung/Transport

6.1.1.            Beförderung – Grundsätze für die Personen- und Güterbeförderung

 

Bei der Beförderung von VIP (very important person) wurde folgender Abschnitt gelöscht:

 

2.1.1        Meldung

 

„Der Kommandant hat nachstehend genannten Persönlichkeiten vor der Gangway eine Meldung in militärischer Form zu erstatten:

·        Dem Generalsekretär der SED

·        Dem Vorsitzenden des Staatsrates

·        Dem Vorsitzenden des Ministerrates

·        Dem Minister für Verkehrswesen

·        Den Stellvertretern des Ministers für Verkehrswesens

·        Dem Generaldirektor der INTERFLUG.

Durch den Verantwortlichen des Protokolls können dem Kommandanten weitere Persönlichkeiten sowie deren korrekte Anrede genannt werden, denen ebenfalls zu melden ist.

Die Meldung hat folgende Form:

„Anrede .........

Besatzung und Flugzeug sind zum Flug nach ... einsatzbereit.

Es meldet Flugkapitän/Kommandant ...“.“

 

2.6.2.      Umgang mit Fundsachen

 

„... Alle anderen Fundsachen sind an eine Fundsammelstelle zu übergeben.

Pässe, Ausweise, Mitgliedsbücher sowie dienstliche Unterlagen von DDR-Bürgern sind an die Fundsammelstelle der INTERFLUG zu übergeben. Derartige Gegenstände ausländischer Bürger sind an die örtlichen Behörden auszuhändigen. Die Übergabe soll quittiert werden.“

 

3.7.            Beförderungsbeschränkungen

 

„Ein-, Durch- und Ausfuhr von Sport- und Jagdwaffen sowie von Schußgeräten sind genehmigungspflichtig. Für die Beschaffung der Genehmigung ist der Passagier verantwortlich.

Werden Personen mit anderen als den genannten Schußwaffen festgestellt,  so ist auf dem Gebiet der DDR die Paßkontrolleinheit oder das Grenzkontrollamt zu benachrichtigen. Im Ausland ist die Beförderung zu verweigern. Diese Regelung gilt nicht bei der Beförderung uniformierter Armeeangehöriger der sozialistischen Länder bzw. für Mitglieder ausländischer Regierungs- und Armeedelegationen. Es ist jedoch die Paßkontrolleinheit oder das Grenzkontrollamt zu benachrichtigen.“

 

3.10.        Diplomtisches Gepäck

 

Dieser Abschnitt über die Beförderung und Übergabe von diplomatischem Gepäck wurde komplett entfernt.

 

8.                  Organisation

8.1.2.            Administration – Flugstaffeln/Fluggruppen

 

In diesem Bereich wurde der Gruppentag, welcher der fachlichen und gesellschaftlichen Bildung und Erziehung diente, gestrichen:

 

1.                  Allgemeines

 

„Im Betriebsteil bestehen Flugstaffeln für jeweils einen Flugzeugtyp. Die Flugstaffel Flotten sind verantwortlich für

-                   die Durchführung der Flüge unter Einhaltung der Weisungen des Betriebsteils der Direktion Flugbetrieb und unter Beachtung der internationalen und nationalen Bestimmungen für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Flüge den Luftverkehr;

-                   die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei der Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Flüge;

-                   die Gewährleistung und Kontrolle der erforderlichen Qualifikation des fliegenden Personals.

Die Flugstaffeln werden unterteilt in Fluggruppen. Unter Leitung der Gruppenleiter und in Verantwortung der Staffelleitung führen die Gruppen mindestens neun Zusammenkünfte (Gruppentage) jährlich durch, an denen alle Mitglieder der Fluggruppe teilzunehmen habe.“

 

2.                  Gruppentage

2.1.            Zielstellung

 

„Die Gruppentage dienen der politisch-ideologischen Erziehungsarbeit, der fachlichen Qualifikation und dem Erfahrungsaustausch, der Belehrung und Information sowie der Auswertung von Vorkommnissen, der Erhöhung der Sicherheit und der Effektivität des Luftverkehrs durch die Mitarbeit des fliegenden Personals, der Durchführung gesellschaftlicher Veranstaltungen und der gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung.“

 

2.2.            Vorbereitung des Gruppentags

 

„Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung des Gruppentages erfordert:

-                   Anleitung des Staffelleiters durch den Direktor Flugbetrieb

-                   Beratung der Staffelleitung über den Inhalt und Anleitung der Gruppenleiter

-                   Beratung der Gruppenleiter über Tagesordnung und Organisation

-                   Auswertung wichtigen Materials (Beschlüsse von Sicherheitskonferenzen u. ä.)

-                   Terminfestlegung in Übereinstimmung mit dem Rahmenterminplan

-                   Beschaffung der nötigen Unterlagen (z. B. Untersuchungsberichte)

-                   Abstimmung des Einsatzplans zur Sicherstellung vollständiger Teilnahme

-                   Verpflichtung von Lektoren für den Dienstunterricht

-                   Beschaffung notwendigen Anschauungsmaterials für den Unterricht

-                   Bestellung eines Versammlungsraums

-                   Organisation der sportlichen Betätigung unter Anleitung eines Übungsleiters bzw. Sportlehrers“

 

2.3.            Muster-Tagesordnung eines Gruppentages

1.      Tag:

1.      Kommandantenbesprechung (Informationsvermittlung und Erfahrungsaustausch). Diese Besprechung ist unter gleicher Zielstellung für die anderen Kategorien (2. Piloten, Bordingenieure, Navigatoren) durchzuführen – ca. 1 h 30 min.

2.      Arbeitsschutzbelehrung (Belehrung nach Rahmenthemenplan, Auswertung des Krankenstandes, evtl. Vorträge von Mitarbeitern des medizinischen Dienstes. – ca. 30 min

3.      Auswertung besonderer Vorkommnisse. – ca. 30 min

4.      Pflichtbelehrung nach Belehrungsplan. – ca. 30 min

5.      Informationen – ca. 30 min

6.      Dienstunterricht (nach Anweisung, Themenplan, Schwerpunkte der Jahresüberprüfung) – ca. 3 h

 

2.      Tag:

1.      Veranstaltungen der gesellschaftlichen Organisationen (dies waren FDJ, SED, DSF, FDGB)

2.      Dienstsport (Minimum 90 min)

3.      Reservistenarbeit

4.      Kulturelle Veranstaltungen“

 

8.2.2.      Grundlegende Vorschriften – Medizinische Vorschriften

 

Der Abschnitt „Fliegerärztliche Tauglichkeitsuntersuchung“ wurde rigoros gekürzt und der Abschnitt über „Konditionierung“  gelöscht.

 

Teilnehmer an Konditionierungslehrgängen war das Cockpitpersonal in zweijährigem Ryhtmus oder zusätzlich auf Anweisung der Flugmedizinischen Kommission.

 

2.             Konditionierung

 

2.2.1.             Grundsätzliches

„.... „Aus dem Teilnehmerkreis wird der Lehrgangsleiter benannt und durch die Betriebs-Partei-Organisation der Parteibeauftragte. Der Lehrgangsleiter ist verantwortlich für die Einhaltung von Ordnung und Disziplin.“

 

2.2.2.            Verhalten während des Lehrganges

 

„Die Heimordnung ist für alle Teilnehmer an Konditionierungslehrgängen verbindlich. Bei groben Verstößen gegen die Heimordnung ist der Lehrgangsleiter in Abstimmung mit dem Parteibeauftragten berechtigt, mit entsprechenden Maßnahmen für Ordnung und Disziplin zu sorgen.“

 

8.2.3.      Grundlegende Vorschriften – Meldeordnung

 

2.8.            Formlose Meldungen

 

Aus folgendem Abschnitt (30.09.1988 Ausgabe: 11)

 

„Mitarbeiter des Betriebsteils Flugbetrieb sind verpflichtet, über Vorkommnisse und Feststellungen, die die allgemeine Sicherheit von Besatzung und Flugzeug betreffen, entsprechend Nr.1 in Tab. 8.2.3/1 sofort und detailliert an OZ (Operativzentrum der INTERFLUG) zu berichten bzw. einen solchen Bericht über den Leiter der Auslandsvertretung der INTERFLUG oder Mitarbeiter der Botschaft zu veranlassen.

Bei Ereignissen, die die Geheimhaltung erfordern, ist nach Möglichkeit auf entsprechende Abschnitte des FBH zu verweisen.

Nach Eintreffen in der DDR ist über diese Ereignisse sowie über Situationen, bei denen mit Bürgern anderer Staaten politische Auseinandersetzungen über die DDR geführt wurden, ein Bericht zu fertigen. Für diesen Bericht ist der Kommandant bzw. das betreffende Besatzungsmitglied verantwortlich.

Eine schriftliche Meldung ist ebenfalls erforderlich bei allen Veränderungen in den Angaben der Personalunterlagen sowie Veränderungen der angegebenen Art der Verbindung zum Kreis der Verwandten bzw. Bekannten.“

 

wurde:

 

„Mitarbeiter der Direktion Flugbetrieb sind verpflichtet, über Vorkommnisse und Feststellungen, die die allgemeine Sicherheit des Luftverkehrs betreffen, entsprechend Tab. 8.2.3/1 sofort und detailliert zu berichten bzw. einen solchen Bericht über den Leiter der Auslandsvertretung der INTERFLUG zu veranlassen.“

(05.11.1990 Ausgabe:12)

 

Interessant ist auch die Frage nach den Pässen, da es üblicherweise keine Reisepässe, sondern „Dienstreisepässe“ für eine Tätigkeit im Ausland gab. Dies resultierte auch aus der Trennung zwischen „sozialistischem und nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet“. Dies bedeutete nichts anderes als die Trennung zwischen Dollar/DM und Rubel/Forint beim Empfang der Reisespesen. Da der Anteil der Flüge in das nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet bei der INTERFLUG zeitweilig ca. 11 % des gesamten Flugaufkommens betrug, kann man sich die Folgen dieser Teilung leicht ausmalen. Wenn man „dazugehörte“ konnte eine Flugsperre schon ein finanzieller Verlust sein und gesperrt wurde man hauptsächlich aus politischen oder gesellschaftlichen Verfehlungen (Den Besuch der Tante aus Westberlin nicht entsprechend FBH/Meldeordnung gemeldet? Verheiratet und eine Freundin? Zum Glück traf das Maß der Strafe „Sperre das Passes für das nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet“ nicht alle. Wer hätte denn dann auch in das nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet fliegen sollen?

 

8.5.1.      Paß- und Zollregelungen – Pässe

 

1.                  Allgemeines

 

„Pässe sind sorgfältig zu behandeln, sicher aufzubewahren und vor Verlust zu schützen. Im Ausland ist der Paß bei sich zu führen, wenn er nicht von den Behörden oder im Hotel einbehalten wird. Für private Reisen ist der Dienstpaß nicht zu benutzen. Die Mitarbeiter sind für die Gültigkeit ihrer Pässe und Visa verantwortlich.“

 

2.                  Paß- und Visabeschaffung

 

„Die Visa- und Paßbeschaffung erfolgt durch die Reisestelle. Bei erstmaligem Beantragen eines Passes für das sozialistische und nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet sind 2 bzw. 3 Paßantragskarten (in der Reisestelle erhältlich) auszufüllen und zusammen mit 6 bzw. 15 Paßbildern (Format 3 x 4 cm, keine Schnellfotos) abzugeben. Die Bearbeitungsdauer beträgt ca. 15 bzw. 24 Werktage.

Bei Ausstellung werden die erforderlichen Visa eingetragen. Vor Ablauf der Gültigkeit von Paß oder Visum ist vom Mitarbeiter die Verlängerung bei der Reisestelle zu beantragen. Die Bearbeitungsdauer für eine Visaverlängerung für das sozialistischem und nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet beträgt in Berlin 10 bzw. 15 Werktage.“

 

3.                  Empfang und Tausch eines Passes

 

„Der Paß wird ausgegeben,

-                   wenn in der Reisestelle eine schriftliche Anforderung vom Betriebsleiter Flugbetrieb oder vom Staffelleiter vorliegt

-                   wenn ein Flug geplant ist

-                   wenn ein Paß zum Tausch vorgelegt wird.

Ein Paß ist zu tauschen, wenn

-                   seine Gültigkeit abläuft,

-                   das Visum abläuft,

-                   keine freie Seiten für Kontrollstempel vorhanden sind,

-                   andere Umstände seine Verwendung nicht gestatten.

Für den Umtausch seines Passes ist jeder Mitarbeiter des fliegenden Personals selbst verantwortlich.“

 

4.                  Paßrückgabe

 

„Ein Paß ist unmittelbar nach Kenntnisnahme einer Sperrung zurückzugeben.

Nicht ständig im Flugeinsatz befindliche Mitarbeiter haben den Paß nach dem Flug – spätestens jedoch am folgenden Werktag – zurückzugeben.“

 

Hier blieb folgende kurze Regelung übrig:

 

1.             Allgemeines

 

 

„Pässe sind sorgfältig zu behandeln, sicher aufzubewahren und vor Verlust zu schützen. Im Ausland ist der Pass bei sich zu führen, wenn er nicht von den Behörden oder im Hotel einbehalten wird. Die Mitarbeiter sind für die Gültigkeit ihrer Pässe und Visa verantwortlich.“

 

2.            Visabeschaffung

 

„Die Visabeschaffung erfolgt durch die Reisestelle. Dazu ist vom Mitarbeiter der Pass abzugeben und eine Anforderung seines Leiters, in der Angaben zu den erforderlichen Visa gemacht werden.“

 

Damit hatte die INTERFLUG der DDR einen Anteil an der Wende geleistet und war in das neue Deutschland eingezogen.